Dienstag, 25. September 2007

Zu Besuch im Tierpark


"Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt."

(Rilke, 1904)

Dienstag, 18. September 2007

Der Wert eines zufälligen Lebens

Fritz Poppenberg, der Berliner Filmemacher, der sich mit evolutionskritischen Filmen wie „Gott würfelt nicht“ angeblich eine goldene Nase verdient, widmet sich in seinem neusten Film dem Thema Abtreibung.* In „Maria und ihre Kinder“ geht es um eine sogenannte Gehsteigberaterin, die versucht, Frauen vom Gang in die Abtreibungsklinik abzuhalten und auf diese Weise schon mehrere hundert Kinder vor dem Tod bewahren konnte.

Die legale Tötung der eigenen Leibesfrucht ist eines der „Menschenrechte“, die – wie Vertreter eines evolutionären Humanismus gern betonen – gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft wurde. Oft mit Ausnahmesituationen wie Lebensgefahr für die Mutter oder Vergewaltigung begründet, sterben in der Praxis ungezählte Kinder aus rein wirtschaftlichen Erwägungen. Heute geht die Kritik an der alltäglichen Abtreibungspraktik vor allen von katholischen Kreisen aus. In der Kontroverse um Abtreibung spiegeln sich Ansichten über Leben an sich wider – wann beginnt Leben, ab wann hat es einen Wert, hat es überhaupt einen grundsätzlichen, einfach gegebenen Wert, der sich nicht gegen andere Leben aufrechnen lässt, etc.

Die Fronten erscheinen so, dass Kritik an Abtreibung vor allen von Gläubigen ausgeht, während „aufgeklärte“ Geister sie als Frauenrecht oder zumindest notwendiges Übel sehen.

Doch – dumm gefragt – muss man wirklich ein gläubiger Mensch oder gar Christ sein, um die staatlich subventionierte und massenhaft betriebene Entsorgung von „Schwangerschaftsgewebe“ abzulehnen? Als jemand, der selbst eine zeitlang Agnostiker war, bezweifle ich das.

Eine Ablehnung von Abtreibungen lässt sich auch ohne religiösen Bezugnahmen begründen. Richard Dawkins, einer der Wortführer der 'neuen Atheisten', sagt in der von ihm produzierten, zweiteiligen Dokumentation „The Root of all Evil?“ gegen Ende:

„We are going to die, and that makes us the lucky ones. Most people are never going to die, because they are never going to be born. The number of people who could be here in my place outnumbers the sand grains of Sahara. If you think about all the different ways our genes could be permuted, you and I are quite grotesquely lucky to be here: the number of events that had to happen in order for you to exist, in order for me to exist. We are privileged to be alive and we should make the most of our time on this world.“**

Praktisch also ein Plädoyer für das Leben, und eine Begründung seines Wertes aus der absolut einmaligen und unwiederholbaren Verkettung der Umstände seiner Entstehung. Die zahllosen „ways our genes could be permuted“ sind aber mit dem Vorgang der Befruchtung der Eizelle besiegelt; ab diesen Moment hat das neubegonnene Leben seinen einmaligen Wert, ist „privileged to be alive“.

Es könnten also rein theoretisch genauso gut Atheisten vom Schlage eines Richard Dawkins sein, die sich aus reinem Idealismus Tag für Tag vor Abtreibungskliniken stellen und Müttern und Vätern die Hilfe anbieten, die sie benötigen, um ihren Kindern das Privileg des Lebens zu gönnen.*** Sind es aber nicht. Welche Hoffnung besteht eigentlich angesichts dessen, dass ein „evolutionärer Humanismus“ sich nicht nur an den pragmatischen Bedürfnissen einer meinungsfähigen Mehrheit orientiert?


Uraufführung von „Maria und ihre Kinder“ am 22. September um 19 Uhr in der Urania Berlin. Näheres unter www.dreilindenfilm.de . (Trailer zum Film auf TooCrazyFilms)


* Vermutlich wurden Poppenberg die enormen Einnahmen aus seinen evolutionskritischen Filmen mittlerweile schon selbst unheimlich, dass er sich jetzt einem anderen Thema zuwendet. Oder die Geldspeicher sind so voll, dass kein Kopfsprung in die Münzen mehr möglich ist. (Im Ernst: Wäre Kreationismus ein so florierendes Business wie Abtreibung, könnten sich Kutschera und Co. warm anziehen.)

** "The Root of all Evil? - Teil 1" auf Google Video
"The Root of all Evil? - Teil 2" auf Google Video

*** Praktisch alle Frauen, die sich durch eine derartige Gehsteigberatung für ihr Kind entschieden haben, sind dankbar und glücklich über diese Entscheidung. Das wirft ein interessantes Licht auf den so oft beschworenen Rechtekonflikt Frau versus Kind.