Sonntag, 11. März 2007

Murphys Universum

Die popkulturell bekanntere Variante von Murphys Gesetz lautet: Alles was schief gehen kann, wird auch schief gehen. Am Beispiel eines fallenden Butterbrotes bedeutet das, dass es mit größerer Wahrscheinlichkeit auf die Butterseite fallen wird. (Interessant wird dieses Beispiel, wenn man das Butterbrot in einem Gedankenexperiment mit der Butterseite nach außen auf dem Rücken einer fallenden Katze befestigt.)

Murphys Gesetz ist praktisch dafür verantwortlich, dass das Leben der meisten Menschen ab einem gewissen Zeitpunkt eine lange Phase der Desillusionierung ist. Je angenehmer beispielsweise der Beruf ist, den wir ergreifen wollen, um so größer ist die Zahl der potentiellen Mitbewerber und damit die Wahrscheinlichkeit, den erträumten Beruf nicht ergreifen zu können. Eine ähnliche Logik greift leider oft auch bei Faktoren wie 'Attraktivität eines favorisierten Lebenspartners' und 'Wahrscheinlichkeit der Gen-Weitergabe mit eben diesem', und vielen anderen.

Der moderne Alltag erzieht Menschen praktisch zu methodischen Pessimisten. Gibt es eine positive und eine negative Möglichkeit - lebt am Nordpol ein vollschlanker Philanthrop, der eine Spielzeugmanufaktur mit jährlichen internationalen Export betreibt, oder ist das nur ein verkleideter Bekannter; werde ich Formel-1-Fahrer oder Hartz-4-Empfänger; werde ich mit meiner Jugendliebe ein Leben lang zusammen und glücklich sein oder nicht; ... - ist die negative Option fast immer die wahrscheinlichere.

Ich glaube, dass sehr viele Menschen mit diesem alltagserprobten 'methodischen Pessimismus' auch an Fragen metaphysischer Tragweite herangehen. Wie: "Hat das Leben einen tieferen Sinn?", "Sind wir nicht mehr als ein strukturierter Haufen Biomasse, und bleibt nach unserem Tod auch nicht mehr übrig?" oder "Gibt es einen übergeordneten Geist, der gut und uns wohlgesonnen ist?" (Was letztlich ein Kathegorienfehler ist.)

Und oft ist dieser methodische Pessimismus sogar stärker als das Empfinden für rationale Zusammenhänge. Zum Beispiel lautete kürzlich ein Leserbrief in einem Wissenschaftsmagazin, als Reaktion auf einen Beitrag zum sogenannten Fine-Tuning im Universum, in etwa: Wenn die Werte der Naturkonstanten wie extra für Leben wie das unsrige eingestellt wirken, dann messen wir sie wahrscheinlich falsch. Für solch ein Höherbewerten des eigenen Empfindens gegenüber wissenschaftlichen Methoden und Daten sind sonst eigentlich eher Kreationisten verschrien.

Ich denke, darin liegt auch eine entscheidende Ursache für die allgemeine Akzeptanz des Evolutionsgedankens. Er impliziert negative Konsequenzen - kein freier Wille, kein Leben jenseits des physischen, etc. - und fühlt sich deshalb für viele wahrscheinlicher an als Schöpfung. (Ein Haken an dieser Überlegung ist natürlich, dass naturalistische Evolution für manche auch scheinbar positive Konsequenzen hat, wie z.B. das Fehlen einer übergeordneten moralsetzenden Instanz, gegenüber der man Rechenschaft ablegen muss.)

Sonntag, 4. März 2007

ID und Kunst

Eine neue Internetseite bereichert den Themenbereich Ursprungsfragen und widmet sich der Schnittstelle zwischen der Intelligent-Design-Theorie und den Künsten. Ein Beispiel ist das Bild „Galacidalacidesoxyribonucleicacid“ von Salvador Dali aus dem Jahre 1963.

Was auf dem ersten Blick vielleicht ein bisschen nach „Was die anderen können, können wir auch“ aussieht, macht auf den zweiten sehr viel Sinn. Denn eine ausschließlich naturalistische Sichtweise, wie sie innerhalb des Evolutions-Paradigmas stattfindet, reduziert Kunst und Kunstwerke in letzter Konsequenz auf reine Naturprodukte; stellt sie also letztlich auf eine Stufe mit Walgesängen oder Bienenwaben. Damit soll letztgenannten Dingen nicht jeglicher künstlerischer Wert abgesprochen werden. Wenn jedoch Kunst wie auch jede andere menschliche Tätigkeit auf Eigenschaften reduziert wird, die ein Individuum im Gegensatz zu Artgenossen eher überleben lassen - letztlich also der Fortpflanzung dienen, auf diverse Eigenschaften und Reaktionen von Molekülen beziehungsweise auf die Gesetzen der Chemie und Physik unterworfenen Prozesse eines Neuronennetzwerkes, dann haben Begriffe wie Kreativität oder künstlerische Freiheit irgendwann nur noch den Stellenwert von nützlichen Illusionen. Ein Trend, der sich in der Neuropsychologie auch zunehmend abzeichnet.

Diese Betrachtungsweise muss sich nicht direkt auf das menschliche Handeln und somit auf künstlerische Tätigkeit auswirken (Zum Glück, möchte man sagen). Eine völlige Negation des freien Willens ist im Alltag letztendlich nicht auslebbar. Damit kann ein Künstler wohl auch gleichzeitig kreativ tätig sein und seine Tätigkeit auf einer Meta-Ebene als reines Produkt nicht willentlich gesteuerter Vorgänge sehen. Wie befriedigend das ist, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Als selbst kreativ tätiger Mensch sehe ich jedoch innerhalb eines von Intelligent Design ausgehenden Paradigmas ein Verständnis von Kunst, das dem Empfinden derer entspricht, die sie betreiben, überhaupt erst als gegeben.

Der Schauspieler und Regisseur Klaus Maria Brandauer hat diesen Konflikt in einem Interview meines Erachtens sehr schön geschildert, auf die Frage, ob es Gott gäbe:

„Ich denke, dass es diesen übergeordneten Geist gibt. Den lieben Gott, Das glaube ich hundertprozentig. Manchmal wache ich nachts auf, schweißgebadet, und denke: Nein, unmöglich. Das ist doch alles lächerlich, es gibt doch Millionen Gegenbeweise. Und manchmal wache ich nachts auf und denke mir: Es gibt ihn doch. Ich hätte auch nicht gern, dass wir nur Materie sind. Das widerspricht meinem Künstlertum.“

(Reader´s Digest Deutschland, November 2006)