Dienstag, 29. Dezember 2009

AVATAR - Hollywood und die Religion

Wie bereits 2008 wird sich mein letzter Blogbeitrag auch in diesem Jahr um einen Science-Fiction-Film mit Öko-Botschaft drehen. Vielleicht eine neue Tradition? Da es um einen aktuellen Kinofilm geht, möchte ich auf jeden Fall im Voraus darauf hinweisen, dass der Text gewisse Dinge in Bezug auf die Filmhandlung verraten könnte. Personen, die den Film noch nicht gesehen haben, aber noch sehen wollen, seien daher vor Spoilern gewarnt!

Das Thema 'Film und Religion' beschäftigt mich eigentlich schon sehr lange. Zu den Filmen von James Cameron habe ich dabei einen besonderen Bezug, da ich im Zuge meines Filmwissenschaftsstudiums mal eine Arbeit über den religiösen Subtext von Blockbustern am Beispiel von Terminator 2 - Judgment Day verfasst habe. Gerade die christliche Erlöserthematik findet sich auffallend häufig in Hollywood-Produktionen, zum Teil auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie beispielsweise in I, Robot.

Nachdem Cameron sich bereits in zwei von ihm produzierten Dokumentationen teils fürsprechend, teils kritisch mit religiösen Themen beschäftigt hat (Der Exodus - Wahrheit oder Mythos? sowie The Lost Tomb of Jesus) ist Avatar in dieser Hichsicht ebenfalls sehr interessant. Der Film stellt einerseits eine, ins Science-Fiction-Genre übertragene Variation eines alten Themas dar: Im Konflikt zwischen angeblich zivilisierten Siedlern/Invasoren und angeblich primitiven und naturverbundenen Ureinwohnern schlägt sich der Protagonist im Laufe der Handlung auf die Seite der Eingeborenen und kämpft schließlich gemeinsam mit ihnen gegen seine früheren Arbeitgeber. Gleichzeitig ist Avatar jedoch auch eine Umkehrung des alten Sci-Fi-Motivs der Invasion übermächtiger, böser Aliens à la Independence Day oder Krieg der Welten, und stellt insofern schon ein Novum dar. Hier sind die Menschen die bösen, übermächtigen Aliens, und man identifiziert sich ausgerechnet mit den blauhäutigen Außerirdischen. Ausgetretene Pfade geht der Film also nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten enthält er eine Vielzahl sehr interessanter und innovativer Details.

Während sich bei früheren Cameron-Filmen religiöse Aspekte höchstens als Metapher oder Anspielungen fanden, hat Avatar nun einen ziemlich direkten Bezug. Die Naturverbundenheit der Na'vi, wie die Ureinwohner des Mondes Pandora heißen, hat quasi religiöse Ausmaße. Clever ist dabei, wie Cameron Esoterik und Wissenschaft verschmilzt, und über die digital designte Natur der Alien-Welt eine Art biologisch begründeten Pantheismus etabliert. Zumindest alle komplexeren Vertreter der Pandora-Fauna und -Flora verfügen über frei liegende Nervenenden, über die sie sich direkt mental verbinden können. Und die Bäume schaffen durch ihre - über ebensolche Nervenenden verbundenen Wurzeln ein Kommunikationsnetzwerk, das praktisch den gesamten Mond umspannt. (Ein Aspekt, der mich ein bisschen an die Prämisse des von Kritikern gescholtenen The Happening erinnert hat) In diesem sozusagen biologischen Internet sind Informationen über einzelne Lebewesen gespeichert - auch über Na'vi, die bereits verstorben sind. Das Netzwerk, das letztlich alle Lebewesen umfasst, bildet nun die Gottheit namens Eywa, die die Na'vi verehren. Und in ihrem Weltbild nimmt diese Gottheit die Seelen der Verstorbenen auf. Man kann sich jetzt streiten, ob das Ganze nun überhaupt noch mit Religion zu tun hat, wenn die Gottheit wissenschaftlich erklärt wird. (So argumentiert auch Jeffrey Weiss auf politics dailyExplaining Eywa is a matter of neurophysics, not theology. So it's not about religion.)

Dabei wird jedoch von einer heutzutage als selbstverständlich angesehenen Prämisse ausgegangen, nach der alles, was wissenschaftlich erfassbar ist, gleichsam physisch und materiell ist. Information ist jedoch immateriell, obwohl deren Träger materiell sind. Ich kann ein Lied nicht zerstören, indem ich eine Schallplatte zerbreche. (Genauso wie im Film das Töten des Avatars - ein Begriff aus dem Hinduismus - nicht automatisch zum Töten der Person führt) Insofern ist es eigentlich hochinteressant, dass die Gleichsetzung des Geistes oder der Seele eines menschlichen (oder menschenähnlichen) Wesens mit der immateriellen Information, die sein Gehirn verarbeitet und speichert, die im Film zum Ausdruck kommt, praktisch derselbe Gedanke ist, den christliche Wissenschaftler wie beispielsweise Werner Gitt äußern. (Ich halte Gitts Informationstheorie zwar nicht für so ausgearbeitet, wie sie sein sollte, teile jedoch seine Schlußfolgerung, dass der Mensch als informationsverarbeitendes und -speicherndes Wesen eine nicht-materielle Komponente hat. Diese Information ist in dem Sinne allerdings nicht im platonischen Sinne 'unsterblich', sondern abhängig von einem Träger und löschbar.)

Freitag, 11. Dezember 2009

Die Regeln des Spiels

Als Blog-Betreiber möchte man ab und an auch mal das Glück haben, eine echte Neuigkeit zu verbreiten. Bei einer Sache, die vor zweieinhalb Wochen passiert ist, überlegt man sich schon zweimal, ob man damit nicht Eulen nach Athen trägt. Beim sogenannten "Climagate", also der Veröffentlichung gehackter Emails von Klimaforschern, war ich jedoch tatsächlich ernsthaft am überlegen, da ich davon erst gestern durch die Lektüre des Spiegel erfuhr. Ich frage mich, ob ich das durch Lernen und Prüfungsvorbereitungen verpasst habe, oder einfach dadurch, dass so eine Meldung von Mainstream-Medien einfach ausselektiert wird, da man gerade eine politisch korrekte Weltrettungs-Appell-Stimmung verbreiten möchte.

Falls ich tatsächlich nicht der letzte war, der davon hörte: Sogenannte "Klimaskeptiker" hackten sich in Universitätsserver, stahlen und veröffentlichten Emails von führenden Klimaforschern. Ob durch diese Mails nun der Klimawandel oder auch nur der Mensch als Ursache desselben als große Verschwörung entlarvt werden, ist ein anderes Thema, das eigentlich interessante an der Sache - und so sieht das auch der Spiegel - sind die Vorgehensweisen der Forscher, die durch diese Mails entlarvt werden. Offenbar wurde diskutiert, wie Kritiker bedrängt und deren Publikationen etwa aus dem Bericht des Weltklimarats und auch aus sonstigen Publikationen herausgehalten werden können. Der Direktor des Klimazentrums in Norwich, Phil Jones, schreibt in einer Email sogar, dass man notfalls sogar die Definition, was Peer-Reviewed-Literatur ist, ändern wolle, um Kritiker fernzuhalten. In dem Zusammenhang fordern nun deutsche Klimaforscher wie der in dem Medien sehr präsente Mojib Latif oder Hans von Storch mehr "Transparenz": In Zukunft sollten Leitautoren des Weltklimarats nicht mehr zu den dominanten Forschern eines Gebietes gehören, die dann den eigenen Veröffentlichungen und jenen ihrer Kumpels eine besonders starke Deutungskraft zuerkennen. (spiegel online)

Das alles wirft natürlich ein sehr interessantes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb. Interessant sind auch die Reaktionen der Beteiligten sowie der Medien. Für RTL oder web.de und Co. ist das Ganze praktisch nicht existent. Zeitungen wie die taz bemühen sich um größtmögliche Relativierung. Die Broschüre The Rules of the Game, in der Strategien zur Beeinflussung der Öffentlichkeit beschrieben werden, sei beispielsweise auch vorher schon ganz öffentlich im Netz zugänglich gewesen.* Auf Seiten von jungen, bloggenden Wissenschaftlern gibt es den mittlerweile fast obligatorischen Zynismus: Auf Mike's Trick sind sie alle, alle reingefallen. Selbst die Gletscher und die Blümchen sind auf Mike's Trick reingefallen.# Ein Klimaforscher der NASA meint gar: Wissenschaft funktioniert ja nicht, weil wir alle so nett sind. Newton war vielleicht ein Arsch, aber seine Gravitationsgesetze gelten noch heute. Darin schwingt unverhohlen ein ziemlich fragwürdiges Moralverständnis mit. Wissenschaft ist das eine, Moral etwas ganz anders. Aber was ist, wenn die meisten führenden Wissenschaftler eines Gebietes "Ärsche" sind, und Veröffentlichungen eines Kollegen behindern, die nicht ins Bild passen? Dann können Fakten Fakten sein, und gelten wie sie wollen, veröffentlicht werden sie trotzdem nicht. Und Die Wissenschaft funktioniert nicht so, wie sie vielleicht könnte. Es ist fast so, als wolle man sagen: Selbst wenn wir uns wie Ärsche verhalten, so kämpfen wir doch für ein hehres Ziel, Die Wissenschaft. Da ist sowas wie Moral einfach mal nebensächlich.
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* Das gilt größtenteils auch für das sogenannte Wedge-Document des Discovery Institute, nur interessiert es da komischerweise niemanden.

# Ein Zynismus, der wie so oft auf Kosten der Realität geht. Es wird einfach unterstellt, dass alle "Klimaskeptiker jeglichen Klimawandel leugnen, was natürlich nicht stimmt. Es geht eher um das Detail der Ursache. Vergleichbar ist das mit Zeitungsberichten, die z.B. suggerieren wollen, dass Kreationisten die Artbildung etwa bei Hunden ignorieren.

Montag, 7. Dezember 2009

Zusatzinformationen zur Podiumsdiskussion in Stuttgart

Hier für Interessierte mal ein Link zu Abstracts/Zusatzinformationen und Literaturangaben zu den Punkten der Podiumsdiskussion "Design ohne Designer?" am 24. 11. 2009 im Schloss Rosenstein, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart (von Axe, Lönnig, Junker, Rammerstorfer; dieses Papier wurde nach der Diskussion den daran interessierten Hörern zur Verfügung gestellt):