Sonntag, 26. April 2009

23 Jahre später

Heute vor 23 Jahren ereignete sich die katastrophale Kernschmelze im Atomkraftwerk Tschernobyl, eine der größten Umweltkatastrophen überhaupt. Die westliche Welt erfuhr allerdings erst zwei Tage später von dem GAU. Es ist eines der geschichtlichen Ereignisse, an die
ich mich selbst erinnern kann - sowohl an die Meldung im Radio als auch an den ersten Regen danach, den man nach Umständen nicht im Freien verbringen sollte. (Ich weiß noch, dass ich als Einziger auf dem Spielplatz blieb, um zu sehen, was passiert, und dann enttäuscht war, dass es sich wie ganz normaler Regen anfühlte...)

Aus evolutionsbiologischer Perspektive sind die Katastrophe und ihre Spätfolgen ebenfalls nicht uninteressant. Immerhin ist Mutation nach klassisch-darwinscher Sichtweise eine Hauptursache für die Veränderung von Arten, und eben diese ist durch die radioaktive Strahlung in den kontaminierten Gebieten verstärkt. So stellte ein Team von Wissenschaftlern im Jahr 2000 beispielsweise eine sechsfach erhöhte Mutationsrate bei Weizenpflanzen fest (siehe hier). Obwohl mittlerweile Bären und Wölfe das Gebiet zurückerobert haben und sich Flora und Fauna offenbar in einem gewissen Rahmen an die verseuchte Umwelt anpassen - so entdeckte man 2003 beispielsweise eine verstärkte Methylierung bei Kiefern - leidet die Natur unter der erhöhten Strahlung. So ergab jüngst eine "Volkszählung" verschiedener Insektenarten eine anhaltende Dezimierung in der Umgebung des Kernkraftwerkes.

Anders Pape Møller von der Universität Paris-Süd und Timothy Mousseau von der Universität von South Carolina (USA) zählten Hummeln, Schmetterlinge, Libellen und Grashüpfer sowie die Spinnennetze in der Gegend um den Reaktor. Ihre Studie ergab, dass die Zahl dieser wirbellosen Tiere in Abhängigkeit zur Strahlung vermindert ist. Eine frühere Studie der Wissenschaftler zeigte bereits eine Beeinträchtigung von Vögeln.

Die Geisterstadt Pripyat, ehemals Heimat für fast 50.000 Menschen
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Bildquellen: Der Sonntag, pripyat.com

Freitag, 17. April 2009

Menschen, Meme und Maschinen

Kürzlich bin ich auf einen sehr interessanten Text von Susan Blackmore gestoßen, kopiert und vervielfältigt von spiegel-online. Grundaussage des Artikel kurz zusammengefasst: Nachdem Replikatoren erster Ordnung – sprich Gene – Lebewesen hervorgebracht haben (woher diese Replikatoren kamen, klammern wir mal aus), irgendwann dann „aufrecht gehende Affen“ Replikatoren von sogenannten Memen wurden, die sie entwickelten (wobei man wohl eher sagen sollte, die Natur habe die Meme entwickelt, bzw. die Meme haben sich selbst entwickelt, und wir glauben in unserer maßlosen Arroganz nur, sie selbst entwickelt zu haben), benutzen uns zunehmend sogenannte Teme oder Treme – Informationseinheiten technischer Natur – als Replikatoren und bereiten die Ablösung biologischer durch technische Replikatoren vor. (Natürlich nicht bewusst, denn sie sind ja blind und egoistisch und so.)

Beim Lesen stellten sich mir mehrere Fragen. Zum einen: Ist die Gleichsetzung von Genen und ihren Informationen mit Ideen, Liedern, Glaubenssätzen, Geschichten, etc., die Dawkins´ Mem-Konzept zugrunde liegt, nicht gerade das, was Egel-Forscher Kutschera kritisiert? Nämlich die Gleichsetzung menschlicher „Geistes-Produktionen“ mit „realen Phänomenen“ wie Butterbrote und Straßenbesen durch „Verbalwissenschaftler“? Wenn also schon die These von Memen verdächtig verbalwissenschaftlich daherkommt, um wie viel mehr gilt das dann für eine darauf aufbauende These von sogenannten Temen oder Tremen? Zum anderen weisen einige Evolutionsvertreter gern darauf hin, dass genetische Information grundsätzlich nicht von Menschen erzeugten Informationen wie Sprache verglichen werden kann. Memetik geht nun seltsamerweise gerade davon aus, dass sie im Grunde sehr ähnlich und in Bezug auf ihre Gesetzmäßigkeiten praktisch 1:1 verglichen werden können. (Rückwirkend könnte man dann ja sogar aus der Gesetzmäßigkeit, dass memetische Information nur durch Intelligenz erzeugt werden kann, darauf schließen, dass das auch für genetische Information gelten müsse.)

Interessant auch wie immer die Analyse der Ausdrucksweise des Textes. Schon im Einleitungstext heißt es: "Die Evolutionstheoretikerin Susan Blackmore glaubt, dass wir mit Computern und Internet eine neue Evolution in Gang gesetzt haben, die wir eines Tages bereuen könnten." Und auch sie selbst schreibt: "Haben wir ungewollt einen dritten Replikator freigesetzt, der auf menschlichen Memen huckepack reitet? Ich glaube ja." Sie glaubt also. Was sie allerdings nicht davon abhält, über Errungenschaften der Zivilisation wie Buchdruck und Computer erstaunlich objektiv zu urteilen: Normalerweise wird dieser Vorgang als Errungenschaft des menschlichen Erfindergeistes gesehen, aus dem wunderbare Technologien hervorgehen, die dem Wohl der Menschheit dienen, und bei dem wir die Kontrolle haben. Das ist eine erschreckend anthropozentrische Sichtweise dessen, was da vor sich geht.

Wie anthropozentrisch und arrogant wir mal wieder sind… Maßen uns doch tatsächlich an, menschliche Erfindungen als Produkt menschlichen Erfindergeistes zu sehen, und nicht als Vehikel möglicher Meme oder Teme (bzw. Treme (oder vielleicht Tic, Tric oder Trac?)). Da geschieht es uns wohl beinahe recht, dass uns Terminatoren bald bekriegen und uns die Matrix versklavt.